Lichterfelde-West ist die
älteste Villenkolonie in Berlin. Der Ortsteil gilt als eine der
ersten vollständig durchgeplanten Villenkolonien im Deutschen
Reich. Seiner Zeit lag der Ort im Kreis Teltow. Der
damalige Kreis war Neuerungen sehr aufgeschlossen und
tat sehr viel für seine Entwicklung, was vor allem dem
späteren Groß-Berlin zugute kam. Lichterfelde
entstand aus dem ehemaligen Dörfern und Rittergütern
Lichterfelde und Giesensdorf, sowie die beiden
Villenkolonien Lichterfelde West und Lichterfelde Ost. Die
Villenkolonien sind eine Gründung des Unternehmers Johann Anton
Wilhelm von Carstenn, der auf eigene Kosten auch die Bahnhöfe
Lichterfelde Ost (1868) und Lichterfelde-West (1872) erbauen
ließ. Carstenn finanzierte dem preußischen Staat auch den Umzug
der Preußischen Hauptkadettenanstalt in großzügige Gebäude an
der Finckenstein-Allee (damals noch Zehlendorfer Strasse). 1882 wurden alle Ortsteile zur
Gemeinde Groß-Lichterfelde vereinigt. , die um
1920 mit 47.213 Einwohnern eine der größten Gemeinden in
Deutschland war. Lichterfelde-West ist bis heute geprägt
durch herrschaftliche Villen der Gründerzeit, große
Gärten, kleine Alleen und gepflasterte Straßen. Gebaut
wurde in mehreren Etappen von 1860 bis 1900. Um
diesen Kern (zu sehen auf der unteren Karte) von rund 1
km erfolgte in den angrenzenden Gebieten nochmals eine
Bebauung in den 20 und 30er Jahren (z.B. das Schweizer
Viertel). Nach dem Zweiten Weltkrieg
kam durch weitere Bebauung unter dem Namen Lichterfelde-Süd eine
weitere Ortslage hinzu. Groß-Lichterfelde war nicht nur Standort
der Hauptkadettenanstalt, es war auch Garnison des Preußischen
Gardeschützenbataillons, sowie Sitz des Königlich-Preußischen
Materialprüfungsamtes (heute Bundesanstalt für Materialforschung
und -prüfung (BAM)) und des Anatomischen Recheninstituts (1945
aufgelöst). Hier befand sich auch das große Kreiskrankenhaus des
Kreises Teltow (wurde nach dem Krieg von den US Truppen
genutzt). Seit 1897/1902 ist hier auch hier der Königlichen
Botanischen Garten (heute Botanischer Garten Berlin) zuhause,
dieser war früher im Kleistpark in Schöneberg
beheimatet.
Groß-Lichterfelde war gegen Ende des 19. Jahrhundert eine der wohlhabendsten Gemeinden der Berliner Umgebung und des Deutschen
Reiches. In Lichterfelde fuhr die erste Straßenbahn der Welt,
und die ersten S-Bahn Versuche fanden auf der Potsdamer
Bahn statt. Hier flog der erste Mensch. Otto Lilienthal
lebte hier und sein Bruder Gustav Lilienthal (er
entwickelte unter anderem den Anker-Steinbaukasten)
baute hier Villen im englischen Stiel. Hier wurde das
erste Fernsehbild übertragen. Manfred von Ardenne hatte
hier sein Labor. Namhafte Firmen bauten südlich der
Villensiedlung am Teltowkanal ihre Fabriken wie z.B.
C.P.Goertz (später in Zeiss-Ikon aufgegangen),
Telefunken und die Spinnstofffabrik Zehlendorf AG
(1937 hervorgegangen aus der Elberfelder Papierfabrik,
war eine Tochtergesellschaft von Hoechst und stellt
Trevira Spinnfasern und Filamentgarne her). Überall
waren namhafte Ingenieure und Forscher tätig, die nicht
weit weg in Lichterfelde wohnten.
Lichterfelde-West hatte sich wegen der Nähe zur
Kadettenanstalt zu einer bevorzugten Wohnlage des adeligen
preußischen
Offizierskorps entwickelt Durch den Zuzug dieser Familien galt
Groß-Lichterfelde zunehmend auch als Geburtsort für den
Elitenachwuchs, vor allem der Offizierselite des Militärs,
welche hier bis in die 40er Jahre ihre Ausbildung erhielt.
Kerngebiet von
Lichterfelde-West südlich des Bahnhofs (Karte aus Wikipedia)
Nach dem Ersten
Weltkrieg wurde Lichterfelde West für seine wohlhabenden
Kriegswitwen („Witwenfelde“) bekannt. Hinzu kam das neureichen
Bürgertum, das sich hier ansiedelte. Mit dieser Mischung
unterschied sich Lichterfelde von allen anderen Villenkolonien,
die meist rein bürgerlich geprägt waren. Dadurch bildete sich in Lichterfelde eine für diesen Ort typische konservativ-deutschnationale
Gesellschaftsschicht. Aber auch hier galt ein wenig die für
Berlin typisches Art, man repräsentierte, zeigte aber seinen
Wohlstand nicht protzig. Man hatte Geld , aber man musste sich
damit nicht unbedingt ausweisen. Viele stapelten tief,
auch weil es als neureich oder proletenhaft galt. Diese
Einstellung blieb jedoch in Berlin bis nach dem 2.
Weltkrieg erhalten, mit Schmuck behängte man sich nicht,
der lag im Tresor (bei der Bank, auch über Schulden
sprach man nicht). In der Wirtschaftskrise der 20er Jahre hatten jedoch auch
viele Probleme sich die Villen zu leisten. Endgültig zu Ende war
diese elitäre Situation 1945. Die Insellage Berlins tat ein übriges. Die
Amerikaner nutzten viele Militärische Einrichtungen weiter. Und
ihr Personal ließ sich in der näheren Umgebung dieser Kasernen
nieder. Neben Zehlendorf und Dahlem waren in Lichterfelde West
viele Kasernen und Einrichtungen der US Army vorhanden. Seit der Wiedervereinigung wird der Ortsteil vor allem
von Diplomaten wieder sehr geschätzt. Lichterfelde West erlebte
nach der Wende die größte Preissteigerung aller Berliner
Bezirke bei Immobilien und Grundstücken.

Karte mit freundlicher Genehmigung von
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